Die Liebe regiert – wie beeinflussen wir Stressresistenz in unseren Genen?

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Gibt es einen biologischen Faktor, der darüber entscheidet, wie stressresistent ein Individuum ist? Und wenn ja, ist er beeinflussbar?

Stress ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers auf herausfordernde Situationen. Doch chronischer Stress kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, darunter Angststörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem. Die Frage, warum manche Menschen besser mit Stress umgehen können als andere, beschäftigt Forscher seit Jahrzehnten.

Eine bahnbrechende Entdeckung in diesem Bereich wurde 2004 von dem kanadischen Neurowissenschaftler Michael Meaney gemacht. Seine Forschung zeigte in einer Veröffentlichung in „Nature Neuroscience“, dass elterliche Fürsorge nicht nur das Verhalten von Nachkommen prägt, sondern auch direkt auf genetischer Ebene wirkt – eine Erkenntnis, die weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis von Epigenetik, Stressbewältigung und psychischer Gesundheit hat.

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Epigenetik – Umweltfaktoren und zwischenmenschliche Beziehungen nehmen direkten Einfluss auf die Aktivität unserer Gene  

Was ist das Anti-Stress-Gen und wie funktioniert es?

Alle unsere ca. 23.000 Gene haben eine Art Schalter, an den Botenstoffe zur Regulierung andocken und so die Aktivität des Gens beeinflussen. 

In den 1990er Jahren führte Meaney eine Reihe von Experimenten mit Ratten durch. Er beobachtete, dass sich Jungtiere unterschiedlich entwickelten, je nachdem, wie intensiv ihre Mütter sie pflegten. Besonders auffällig war, dass Rattenbabys, die häufig von ihren Müttern gesäubert und umsorgt wurden, als Erwachsene deutlich stressresistenter waren als ihre weniger umsorgten Artgenossen.

Meaney fand heraus, dass diese Unterschiede auf eine epigenetische Veränderung eines bestimmten Gens zurückzuführen waren: des Glukokortikoid-Rezeptor-Gens. Dieses Gen ist mitverantwortlich für die Regulation der Stresshormone im Körper. Wenn es aktiv ist, kann der Körper Stresshormone wie Cortisol effizient abbauen, was zu einer besseren Stressbewältigung führt.

Bei Ratten, die viel mütterliche Fürsorge erhielten, war dieses Gen in ihrem Gehirn stärker aktiv. Hingegen zeigte sich bei vernachlässigten Ratten eine geringere Genaktivität, was dazu führte, dass sie ängstlicher und anfälliger für Stress waren.

Die zentrale Erkenntnis aus Meaneys Forschung ist, dass Gene nicht unser Schicksal bestimmen, sondern dass ihre Aktivität durch Umweltfaktoren – in diesem Fall durch mütterliche Fürsorge – verändert werden kann.

Solche epigenetischen Mechanismen sind chemische Veränderungen an der DNA oder den sie umgebenden Proteinen. Sie beeinflussen, wie aktiv bestimmte Gene sind, ohne die eigentliche DNA-Sequenz zu verändern. In Meaneys Experimenten führte mütterliche Fürsorge zu einer verstärkten Demethylierung des Glukokortikoid-Rezeptor-Gens, wodurch es aktiver wurde.

Liebevolle Zuwendung kann also auf molekularer Ebene biologisch „eingeschrieben“ werden – und diese Veränderungen können ein Leben lang bestehen bleiben.

Was bedeutet diese Erkenntnis für uns?

Meaneys Forschungen legen nahe, dass auch beim Menschen die frühkindliche Fürsorge langfristige Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Stressbewältigung haben kann. Kinder, die in liebevollen, unterstützenden Umfeldern aufwachsen, könnten eine stärkere genetische Ausstattung gegen Stress entwickeln als andere.

Der in der Psychoneuroimmunologie forschende Arzt Prof. Dr. Joachim Bauer stellt heraus, dass eine solche Ausstattung nachreifen kann, auch wenn sie sich in früher Kindheit nicht entwickelt hat. Gute therapeutische Arbeit und zwischenmenschliche Beziehungen können positiven, stärkenden Einfluss nehmen.

Letztlich bedeutet das: Positive Veränderungen in unserem Umfeld können unser biologisches Erbe beeinflussen – immer!

Was sind Anzeichen dafür, dass mein Anti-Stress-Gen nicht optimal arbeitet?

  1. Ich fühle mich schneller überfordert als andere.
  2. Nach stressigen Situationen dauert es lange, bis ich mich wieder beruhige.
  3. Ich fühle mich oft innerlich angespannt, nervös, unruhig oder ängstlich – selbst ohne offensichtlichen Grund.
  4. Ich habe Einschlaf- oder Durchschlafstörungen, weil mein Gehirn “nicht abschaltet”.
  5. Reizbarkeit und emotionale Instabilität – kleine Dinge bringen mich schnell aus der Ruhe oder sorgen für Stimmungsschwankungen.
  6. Durch die dauerhafte Anspannung habe ich Konzentrationsprobleme und meine kognitive Leistung beeinträchtigt.
  7. Ich reagiere sehr empfindlich auf Kaffee oder andere anregende Substanzen, denn mein Dopamin- und Adrenalinabbau könnte verlangsamt sein.
  8. Körperliche Beschwerden wie Verspannungen, Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme können bei mir durch chronischen Stress verstärkt werden.

Was kann die Aktivierung meines Anti-Stress-Gens unterstützen?

Hypnose-Therapie kann eine effektive Methode sein, um das Anti-Stress-Gen zu aktivieren, indem sie tiefgreifende Veränderungen in der Stressverarbeitung bewirkt. Hier sind einige Wege, wie Hypnose die Genexpression positiv beeinflussen kann:

  1. Konkrete Hypnose-Techniken für die Aktivierung deines Anti-Stress-Gens
  • Regressionstherapie → Aufarbeitung vergangener Stressoren kann epigenetische Muster verändern

  1. Epigenetische Veränderungen durch mentale Neuprogrammierung
  • Hypnose kann tief verwurzelte Stressmuster im Unterbewusstsein aufdecken und transformieren → solche Veränderungen können epigenetische Marker zugunsten von Stressresistenz verändern

  1. Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren (HPA) – Achse & Cortisolspiegel
  • Chronischer Stress führt oft zu einer Überaktivierung der HPA-Achse, wodurch zu viel Cortisol ausgeschüttet wird → Studien zeigen, dass Hypnose helfen kann, die HPA-Achse zu beruhigen und die Cortisolausschüttung zu senken

  1. Förderung von Entspannung & Resilienz
  • Hypnotische Trance reduziert die Aktivität des Sympathikus (Kampf-oder-Flucht-Reaktion) und aktiviert den Parasympathikus (Ruhemodus) → dies kann die Expression von Genen fördern, die mit Entzündungshemmung, Zellschutz und emotionaler Stabilität in Verbindung stehen

„Fast alles funktioniert wieder, wenn man es für ein paar Minuten ausstöpselt… Sie eingeschlossen.“

Anne Lamott