Gut, dass Sie fragen!
Stress entsteht durch den Eindruck, in einer Situation nicht die passenden Ressourcen zur Verfügung zu haben, um sie zu bewältigen. Dabei können Emotionen wie Hilflosigkeit, Unsicherheit, Frustration, Traurigkeit und viele mehr aufkommen.
Bei mir zum Beispiel, wenn ich versuche, mit meiner Tochter Latein zu lernen. Immerhin weiß ich dadurch, dass unser Fragezeichen als stilisierte Darstellung der Abkürzung „qo“ des lateinischen Wortes für Frage „quaestio“ entstanden sein soll.
Fragen aktivieren den präfrontalen Kortex – den Teil unseres Gehirns, der für analytisches Denken und Problemlösung verantwortlich ist. Dadurch wird die Aktivität im limbischen System, das für emotionale Reaktionen wie Angst oder Wut zuständig ist, heruntergefahren. Fragen helfen also, zu einem rationalen und lösungsorientierten Denken zu wechseln und gleichzeitig unsere Gedanken zu strukturieren. Sie fördern unser Zugehörigkeitsgefühl, weil sie die Kommunikation vertiefen und zwischenmenschliche Verbindungen stärken.
Fragen sind ein Werkzeug, um Gedanken und Gefühle zu ordnen, Lösungen zu finden und Kontrolle zurückzugewinnen
Wann ist eine Frage eine gute Frage?
Anderen – oder sich selbst – gute Fragen zu stellen, kann man üben und so aktiv den Stresspegel aller Beteiligten beeinflussen.
Hier sind 10 Prinzipien, die uns dabei helfen:
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- Neugier und aufrichtiges Interesse: Gute Fragen entstehen aus echtem Interesse an der Person, dem Thema oder der Situation. Was möchten Sie wirklich über den anderen erfahren? Echtes Interesse und Offenheit sind die Grundlage für wertvolle Gespräche und wertvolle Erkenntnisse.
- Offene und einladende Formulierungen: Geschlossene Fragen (die nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können) vermeiden, außer sie sind gezielt hilfreich. Statt „Hat dir das gefallen?“ zum Beispiel lieber „Was hat dir daran besonders gefallen?“. Offene Fragen fördern tiefere Gespräche und Reflexion.
- Einfache und klare Fragen: Komplizierte oder mehrteilige Fragen können verwirrend wirken. Besser: „Was hat dich zu deiner Entscheidung inspiriert?“ statt „Warum und wie bist du darauf gekommen, das genau so zu machen?“
- Empathie: Passen Sie Ihre Fragen an die Stimmung und das Bedürfnis des Gegenübers an. Wenn jemand emotional sehr aufgewühlt ist, lieber fragen „Wie fühlst du dich in dieser Situation?“ statt „Warum hast du das gemacht?“.
- Aufmerksames Zuhören: Gute Fragen bauen auf dem auf, was der Gesprächspartner sagt. Nutzen Sie Hinweise aus dem Gespräch, um weiter nachzufragen oder das Thema zu vertiefen. Zum Beispiel: „Du hast erwähnt, dass du unsicher warst – was hat dir geholfen, das zu überwinden?“
- Vermeidung wertender oder suggestiver Fragen: Fragen sollten nicht bewerten oder manipulieren, sondern neutral und offen sein. Besser: „Was denkst du darüber?“ statt „Findest du nicht auch, dass das eine schlechte Idee ist?“
- Kontext anpassen: Smalltalk, ein tiefes Gespräch oder ein berufliches Meeting erfordern natürlich unterschiedliche Arten von Fragen. Wobei man sich beim Stellen von guten Fragen wundert, wie schnell aus einem Smalltalk auch einmal ein tiefes Gespräch mit großer Verbundenheit entstehen kann.
- Reflexion und Kreativität ermutigen: Fragen, die zum Nachdenken anregen, laden zu einer intensiveren Auseinandersetzung ein. Beispiel: „Wie stellst du dir eine ideale Lösung vor?“ oder „Was würdest du tun, wenn du keine Einschränkungen hättest?“
- Zeit und Raum geben: Geben Sie dem Gegenüber Zeit, über Ihre Frage nachzudenken. Unterbrechen Sie ihn nicht und hören Sie aufmerksam zu.
- Mit neuen Perspektiven experimentieren: Nutzen Sie hypothetische oder „Was wäre wenn“-Fragen, um kreative Antworten zu fördern. Beispiel: „Was würdest du tun, wenn das Budget keine Rolle spielen würde?“
- Neugier und aufrichtiges Interesse: Gute Fragen entstehen aus echtem Interesse an der Person, dem Thema oder der Situation. Was möchten Sie wirklich über den anderen erfahren? Echtes Interesse und Offenheit sind die Grundlage für wertvolle Gespräche und wertvolle Erkenntnisse.
„Ich würde lieber Fragen haben, die nicht beantwortet werden können, als Antworten, die nicht hinterfragt werden dürfen.“
Richard Feynman
Wie kann ich Fragen gezielt in stressigen Momenten für mich einsetzen?
Hier sind einige Fragestrategien, die Sie unterstützen können, Ihr Stressempfinden zu senken.
Stellen Sie sich klärende Fragen:
• Was genau stresst mich gerade?
• Was liegt in meiner Macht, und was nicht?
• Was brauche ich, um mich besser zu fühlen?
Diese Fragen helfen Ihnen, das diffuse Gefühl von Stress zu konkretisieren und greifbar zu machen.
Nutzen Sie lösungsorientierte Fragen:
• Was ist der nächste Schritt, den ich gehen kann?
• Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung?
• Wer könnte mir helfen?
Solche Fragen lenken Ihren Fokus auf das, was Sie aktiv tun können.
Unterbrechen Sie negative Gedanken mit reflektierenden Fragen:
• Wie realistisch ist meine Angst?
• Was würde ich einem Freund oder einer Freundin in dieser Situation raten?
• Wie wichtig ist das in einem Monat, einem Jahr oder in zehn Jahren?
Diese Fragen relativieren Ihre Sorgen und schaffen Distanz zu intensiven Emotionen.
Schaffen Sie Perspektivwechsel
• Was kann ich aus dieser Situation lernen?
• Wofür bin ich trotz der Herausforderung dankbar?
• Wie könnte das, was mich stresst, langfristig positiv wirken?
Diese Fragen fördern Selbstwirksamkeit und Optimismus – zwei wichtige Resilienzfaktoren – und helfen, Stressempfinden in Wachstumspotenzial umzuwandeln.
Wenn ich mich dabei ertappe, meine Energie auf Dinge zu richten, die ich nicht beeinflussen kann, ist meine Go to – Frage „Was liegt in meiner Macht, und was nicht?“. Sie lenkt mich vor meinem inneren Auge zu einem wunderbaren und einfachen Modell aus Stephen Coveys Buch Die 7 Wege zur Effektivität: das Circle of Influence Modell.
Der äußerste Ring des Kreises ist der Circle of Concern. Auf die Dinge in diesem äußersten Bereich habe ich keinen Einfluss, auch wenn ich mir darüber unendlich viele Gedanken mache. Es kostet unnötig Kraft, mental und emotional um Dinge zu kreisen, die ich nicht ändern kann. Ein Ring weiter innen ist der Circle of Influence. Hier kann ich die Dinge indirekt über Menschen aus meinem engeren Umfeld beeinflussen, wie zum Beispiel Kollegen, Freunde und Familienmitglieder. Ich kann sie inspirieren und motivieren ihr Handeln anzupassen und damit indirekt Veränderungen anstoßen. Und dann ganz im Inneren des Kreises liegt der Circle of Control. Hier sind die Dinge, die ich selbst mit meinem Handeln verändern kann, mein Kontrollbereich. Hier macht es Sinn, meine Ressourcen einzusetzen. Besonders im familiären und partnerschaftlichen Kontext ist die bewusste Einordnung zwischen Circle of Influence und Circle of Control manchmal überraschend und mindert enorme Konfliktpotentiale – und somit den Stress!
Welche Fragen reduzieren Ihren Stress?