Haben Sie schonmal von einem Gyroskop gehört?
Das ist ein Kreiselinstrument, bei dem sich Rad und Achse frei in einem Metallrahmen drehen. Es widersteht äußeren Einflüssen, indem es immer wieder ins Gleichgewicht zurückkehrt, solange sich seine Mitte dreht. Die sich drehende Mitte generiert eine Kraft, die das Gyroskop aufrecht hält. Es wird in Messinstrumenten verbaut, die der Stabilisierung und Navigation dienen, zum Beispiel in Flugzeugen, Schiffen und Raumfahrzeugen.
Vor allem ist es aber eine großartige Metapher für unsere Gesundheit.
Das viktorianische Gyroskop in meiner Praxis steht für das innere Gleichgewicht.
Mich hat diese Metapher beim Lesen des Buches Mit Sprache heilen von Dr. Steve Bierman gepackt und zu meiner hypnotherapeutischen Fortbildung inspiriert.
Der Physiologe Walter Cannon prägte in seinem 1932 erschienenen Buch The Wisdom of the Body den Begriff der „Homöostase“ – die Fähigkeit des Körpers mit komplexen selbstkorrigierenden Maßnahmen sein inneres Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Ein Wunderwerk! Wie das Gyroskop. Wenn die Mitte stark ist und die Schutzsysteme funktionieren – physisch und psychisch.
Wie werde ich krank?
Um zu ergründen, wie ich gesund werde, ist die Frage, wie ich denn krank werde, unerlässlich.
Vielfältige Einflüsse treffen auf unsere Schutzsysteme und wenn diese nicht ausreichen, manifestieren sich Krankheiten. Mit welcher Art und Stärke von Symptomen sich die Krankheiten dann äußern, ist wiederum abhängig vom Zustand unserer Schutzsysteme: das Immunsystem des Körpers – unsere Abwehrkräfte – und das Immunsystem der Seele – unsere Resilienz.
Eigentlich simpel, oder? Und doch von Mensch zu Mensch so individuell wie ein Fingerabdruck.
Was können solche Einflüsse als Krankheitsursachen sein? Genetische Faktoren, Erreger, Toxine, Suchtmittel, Nährstoffmangel, Bewegungsmangel, psychische Belastungen, soziale Isolation, Glaubenssätze, Stressempfinden. Ein Einfluss kommt dabei selten allein!
Und durch welche Symptome äußern sich Krankheiten so in der Regel?
Körperlich: Fieber, Ausschlag, Übelkeit, Husten, Entzündung, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, Libidoverlust, Schmerz, Stressempfinden.
Psychisch: Angst, Unruhe, Antriebsmangel, Interessenverlust, Schlafstörungen, Libidoverlust, Schmerz, Stressempfinden.
(War da jetzt ein Kopierfehler? Nein!) Körperlichen und psychische Phänomenen lassen sich nicht abgrenzen.
Körperliche und psychische Symptome können nur gemeinsam betrachtet und behandelt werden.
Warum werde ich gerade heute krank?
Eine spannende und aufschlussreiche ergänzende Frage, zu der erstaunlich viele Menschen eine Vermutung im Hinterkopf haben: Warum gerade heute? Warum heute und nicht zu einem anderen Zeitpunkt? Dr. Steve Bierman fragt: „Ich weiß, Sie werden die Antwort darauf nicht kennen, aber wenn Sie raten sollten, warum haben Sie die Erkrankung heute bekommen?“
Diese Vermutung weist dann häufig auf ein Bedürfnis hin, das ins Unbewusste verschoben wurde. Das Bedürfnis einer bestimmten Situation zu entgehen, das sich durch den unbewussten (!) Rückzug in Krankheit manifestiert.
Heute Nacht haben sich die Herzrhythmusstörungen der Patientin verschlimmert, weil sie morgen ihren kranken Mann zu einer für beide sehr angstbehafteten Behandlung fahren sollte. Heute sind die Fingerkuppen der Elfjährigen rissig aufgesprungen, weil ihr ein Klavierunterricht bevorstand, den sie gar nicht mehr wollte. Heute ist bei dem Patienten eine starke Erkältung durchgebrochen, obwohl er doch übermorgen das erste Date nach seiner Scheidung geplant hatte.
Fallen Ihnen Beispiele aus Ihrem Umfeld hierzu ein?
Den handfesten Beleg dafür, dass Vorstellungen und Erwartungshaltungen unsere Gesundheit beeinflussen, kennen wir alle als den Placebo-Effekt und den Nocebo-Effekt.
Und wie werde ich jetzt gesund?
Indem so viele Krankheitsursachen wie möglich aufgelöst werden während gleichzeitig das Immunsystem gestärkt wird, beziehungsweise die beiden Immunsysteme – das körperliche und das seelische. Dann dreht sich unsere Mitte wieder stark und wir bleiben im Gleichgewicht.
Wo soll ich also im Alltag anfangen? Und wann? Und wie?
Vielleicht im Kopf. Direkt heute. Mit einem Wut-Trigger!
Diese Übung ist ein Einstieg in das Thema Immunsystem der Seele. Wenn mich etwas absolut wütend macht, dann habe ich in mir selbst einen Anteil, der mit diesem Trigger in Resonanz geht. Kurz gesagt: ich habe hier selber ein unverarbeitetes Thema, sonst würde mich das Ganze kalt lassen.
Wut gehört zu den sechs Grund-Emotionen Freude, Wut, Angst, Traurigkeit, Überraschung und Ekel, aus deren Abstufungen sich alle weiteren Emotionen ergeben. Wut ist aber gesellschaftlich und im sozialen Umfeld kaum mehr akzeptiert. Daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ins Unbewusste verschobene Wut-Themen zu Glaubenssätzen und psychischen Belastungen führen, die Krankheitsursachen werden können. Der Volksmund weiß, dass uns hierbei gerne „eine Laus über die Leber läuft“ oder uns die „Galle hochkommt“ oder wir sogar „Gift und Galle spucken“.
Ich kann also starten, indem ich mir drei Fragen stelle und ehrlich beantworte:
- Welches Verhalten meiner Mitmenschen macht mich besonders wütend?
- Welches Bedürfnis in mir wird durch das Verhalten meiner Mitmenschen in dieser Situation nicht befriedigt?
- Woher kenne ich die Situation, dass dieses Bedürfnis nicht befriedigt wird?
Viel Freude bei dieser kleinen Erkundungstour der eigenen Emotionen. Wenn wir sie wahrnehmen und uns bewusst machen, sind wir auf dem besten Weg, sie auch steuern zu können. Die Emotionssteuerung ist ein wichtiger Resilienzfaktor und stärkt unser Immunsystem der Seele.
Sie möchten sich weiter mit Ihren Emotionen beschäftigen? Vielleicht hilft Ihnen das Emotionsrad bei der Wahrnehmung und Einordnung von dem, was Sie fühlen. (DOWNLOAD)